Simplicity als Trend

Veröffentlicht am 03. Juni 2005 von Roman
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Wer viel hat, kann davon leicht zu viel bekommen. Konsumreduktion als Anti-Stress-Mittel. (Bruno Jaschke, Wienerin)





(Bild: Flagshipstore in Wien Mariahilferstraße, wo HUMANIC auf 3 Ebenen Europas größtes Schuhgeschäft eröffnete und man aus zehntausenden Schuhen wählen kann.)

Besonders glücklich schätzt sich einer Umfrage des Linzer Marktforschungsinstituts market zufolge, gerade mal ein Viertel der Österreicher. Nicht einmal jeder Zweite glaubt, er lebe gut. Und das in Zeiten, wo sich der größte Teil der Bevölkerung imer noch kaufen und leisten kann, was er will: Ob Urlaube, Autos, Haushaltshilfen, Bekleidung, Unterhaltung, Sportmöglichkeiten, Adrenalinschub, Verwöhn- und Entspannungsangebote oder kulinarische Spezialitäten, alles und noch mehr davon gibt es in vielfältigsten Formen und Variationen. Genau in dieser Überfülle aber orten Glücksforscher und Psychologen das Problem: Es gelte nicht, noch mehr anzuhäufen, sondern abzuspecken. Simplicity - Einfachheit -, wird als neuer Trend für ein erfülltes, befriedigendes Leben propagiert.

Reduktion auf das Wesentliche. Ein Wegbereiter dieser Weniger-ist-mehr-Philosophie ist Barry Schwartz. Der Psychologieprofesser aus Pennsylvania beschreibt in Büchern und Essays, so auch in seinem jüngsten Bestseller Anleitung zur Unzufriedenheit. Warum weniger glücklicher macht (Econ) das allgegenwärtige Überangebot als Falle für die Psyche, deren Wurzel er im Individualismus-Kult westlicher Gesellschaften sieht: Menschen wird eine Unzahl an Möglichkeiten angeboten, sich aus der Umklammerung tradierter Restriktionen zu lösen, 'sich selbst zu verwuirklichen'. Bis es ihr Fassungsvermögen übersteigt. Der Stress, sich aus einem Überangebot an Optionen entscheiden zu müssen, und das womöglich falsch, manifestiert sich im Extremfall als klinische Depression.

Reiz-Überflutung. Die Wirtschaft hat die Signale vernommen: Kleineren Sortimenten und übersichtlicheren Regalen in Supermärkten sind Tests und Studien vorangegangen, die ergaben, dass Konsumenten lieber dort kaufen, wo das Angebot überschaubar bleibt. Simplicity-Magazine und Entrümpelungsshows boomen in den USA. In unseren Breiten gelang Werner Küstenmacher und Lothar Seiwert, ersterer Theologe, letzterer Zeitmanagementexperte, mit dem teils brauchbaren, teils fragwürdigen Ratgeber Simplify Your Life ein Millionenseller. Barry Schwartz ist indes eher skeptisch, dass sich das Konsumverhalten in Europa oder in den USA nachhaltig ändern würde: 'Damit das passiert, müssten in wohlhabenden Gesellschaften Leute imstande sein, dem Bombardement durch Marketer und Handel zu widerstehen, immer mehr haben und tun zu wollen. Ich bin nicht allzu optimistisch, dass sie das sind.'

Teure Einfachheit. Auch Andreas Reiter vom ZTB Zukunftsbüro zweifelt an der Resistenz größerer Bevölkerungsteile gegen die Verlockung der Werbung: 'Sozial schwächere Menschen haben häufig Image- und Status-Probleme und neigen dazu, dem Ideal des Immer mehr zu folgen. Wenn man dagegen materiell schon alles erreicht hat, tut man sich leichter, in immaterielle Werte wie Zeit zu investieren. Oder mit fünf Paar Schuhen auszukommen, die dann aber hochwertig sind. Einfachheit muss man sich leisten können!'

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