Korkgeschmack: Hier ein Tipp!

Veröffentlicht am 03. Oktober 2005 von Roman
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Was man im Internet nicht so alles findet. Angefangen hat es damit, dass wir vor etwa 2 Jahren in der Steiermark bei einer Weinverkostung war. Da hat uns ein anderer Gast mit der Frage an den Weinbauern überrascht ob es stimmt, dass ein Stück Frischhaltefolie in einen korkenden Wein gesteckt schon bald den Fehlgeschmack entfernt. Wir (inkl. Weinbauer) haben damals nur den Kopf geschüttelt - jetzt hab ich mal daran erinnert - und siehe da: im Internet gibt es zu diesem kuriosen Thema doch einiges zu erfahren.

Prädikat lesenswert! Auch wenn es mühsam und lange scheint kann ich nur empfehlen, die Story ganz zu lesen - ist besser als jeder Harry Potter ...

In einem Weinforum hat sich folgende witzige Diskussion entfacht:

Ein Teilnehmer fand auf einer Schweizer Weinbestellseite folgenden Text:
Zapfen (Kork):
Zum Glück ein Problem, dem man bei hochkarätigen Gewächsen nur sehr selten begegnet, da deren Produzenten die besten und teuersten Korken verwenden. Nach unserer Erfahrung ist etwa jeder fünfte vermeintliche Korkgeschmack auch wirklich einer. Wenn wir beanstandete Flaschen ersetzten, müssten wir das Risiko in unseren Margen einkalkulieren. Wir verzichten aber lieber auf einen Zapfen-Risiko-Zuschlag und bitten um Verständnis, dass wir keine geöffneten Flaschen zurücknehmen können.

Noch ein unglaublicher Tipp, aber dieser funktioniert tatsächlich:
Wenn ein Wein Kork hat, stopfen Sie ein Stück Frischhaltefolie (Cellofanfolie) in den Wein in der Flasche und nach kurzer Zeit ist der Korkgeschmack weg. Manchmal ist ein Wein nach dieser Prozedur perfekt zu trinken, manchmal ist er zwar nicht 100%ig sauber, aber immer noch gut zu trinken.
Hier wurde nach Aufklärung gefragt - was promt passierte ...

Antwort:
irgendwie kommt mir diese geschichte mit der aluminium-frischhaltefolie ganz bekannt vor! ich wurde ja im forum auch schon aufgeklärt, dass korkgeschmack gleich TCA (Trichlor...) ist. wer kann mir physikalisch oder wohl eher chemisch erkären, wie diese chlormoleküle durch die aluminiumatome gebunden werden? meiner meinung nach ist aluminium nicht gerade sehr reaktionsfreudig und daher das ganze humbug. und wenn jodocus bei einem anderen thema noch schreibt, man soll das ganze noch kühl stellen, dann erst recht: da wärme reaktionen fördert, kälte jedoch eher reaktionen hemmt.
aber natürlich, liebe pragmatiker, das nächste mal probier ich's einfach aus!

Skeptiker:
wie war das mit den Märchen...? Ich habe den Verdacht, dass vielen ungeschulten Weinkonsumenten das Vorgehen evt. helfen kann... aber diejenigen, die bei gerstl oder im weiteren gehobenen bis höchsten Fachhandel kaufen und eine geschulte Sensorik besitzen, werden mit diesen Ratschlägen ungefähr so gut bedient sein wie ein Jan Ullrich, dem man ein Holland-Rad für die Tour-de-France geben würde...

Also ein Erklärungsversuch:
Hallo, der Tipp hat bestimmt einen Effekt (zumindest einmal einen Placebo-Effekt, man bildet sich ein, der Korkgeschmack ist nach der Behandlung geringer geworden).

Generell ist mit Frischhaltefolie sicher nicht Alufolie gemeint, sondern diese durchsichtigen Polyethylen-Folien mit Weichmacher-Zusätzen, in die man belegte Brote etc. einpackt. Natürlich gibt es Verfahren (z.B. Aktivkohlefilterung), um Geruchsstoffe wie das TCA (2,4,6-Trichloranisol) großteils zu entfernen, leider gehen da aber auch die natürlichen Aromastoffe und eventuell sogar Farbkomponenten des Weines mit. Und eine geschmacklose, alkoholhaltige Flüssigkeit, aber dafür ohne Korkgeschmack - das kann es auch nicht wirklich sein !

Wenn dieser Tipp überhaupt hilft, dann wohl nur in dieser Weise, dass alle Aromastoffe (gewünscht oder unerwünscht) entfernt werden. Für einen Alkoholiker sicherlich noch gut geeignet, für den Weinliebhaber wohl weniger ...


Richtigsteller:
ich bin doch nicht * * *ert: unter dem thread 'wieviele teure weine mit alternativverschlüssen?' schreibt jodocus:

Hallo! Oftmals hilft bei Korkschmeckern Alu Folie in Den Flaschenhals und einige Stunden gekühlt stehen lassen anschliessend dekantieren , oder gleich dekantieren und einige stunden stehen lassen . In 9 von 10 Fällen hilfts . Beste grüsse: Jodocus ( der Echte)

alufolie ist doch in deutschland keine frischhaltefolie, oder?

Komplexer Erklärungsversuch:
Das PE-Verfahren fand auch ich suspekt, um nicht zu sagen esoterisch.
Trotzdem unternahm ich einen Selbstversuch mit einem nominell sehr hochkarätigen, effektiv nicht gerade billigen Tropfen der mit einem Korkschmecker behaftet war, wie man ihn sich als Schulbeispiel nicht besser wünschen könnte.

Resultat: Nach 24 Stunden mit PE unter Stickstoffatmosphäre versetzt war der Wein deutlich mit weniger TCA-Aromen belastet. (Von 'Magakorken' zu 'Ich glaub das könnte eventuell ein Korkschmecker sein'
Plazeboeffekt? Möglicherweise, also Versuchsteil zwei:
Der 'behandelte' Wein wurde einem Weinfreund und recht guten Degustator zur Beurteilung vorgesetzt.
Resultat: Sauber, wenn auch ein eher kleiner, etwas gezerrt wirkender Wein.

Fazit 1: Das TCA lässt sich mit PE tätsächlich reduzieren.
Fazit 2: Leider werden aber auch andere, positivere Aromen mitreduziert.
Fazit 3: Der korkbelastete Mouton 1982 wird auch mit PE nicht wirklich trinkbar, aber man muss bei einer guten Reduktion nicht noch Angst haben, dass auch die Sauce nach Kork schmeckt.
Fazit 4: Das Carré d'agneau avec 'son reduction 1er Grand Cru' war grossartig. PE sei Dank

Fachgesimpel:
Ich habe das mit der PE-Folie nicht probiert, dein Ergebnis klingt aber durchaus plausibel. Das TCA als relativ unpolare Verbindung wird am ebenfalls unpolaren Polyethylen einfach adsorbiert und aus dem Wein entfernt. Leider geht es vielen erwünschen Aromastoffen aber ebenfalls an den Kragen. Eine solche Methode seitens der Fa. Gerstl mehr oder weniger als Ersatz für die Weigerung, fehlerhafte Flaschen zurückzunehmen, ist meiner Ansicht nach eine Frechheit dem Konsumenten gegenüber ...

Warum schreiben die Leute nicht 'machen Sie einen Glühwein mit viel Zimt und Nelken, und sie werden den Korkschmecker nicht mehr wahrnehmen' ??? Im übrigen bin ich mir nicht sicher, ob diese Weigerung mit dem österreichischen Konsumentenschutzgesetz vereinbar ist - gibt es in der Schweiz so etwas nicht ?

Besser als mit der PE-Folie wird es aber wahrscheinlich noch mit der Aktivkohle funktionieren (aber eben auch mit stärkerer Reduktion der Weinaromen). Einfach den Wein mit Aktivkohle kurz aufrühren und durch ein Papierfilter filtrieren. Wenn keine Aktivkohle verfügbar ist, müsste es auch einigermaßen mit fein zerstoßener Grill-Holzkohle gehen.

Beim Verkochen eines Weines (z.B. im Essen) mit Korkgeschmack geht das Fehlaroma aber - glaube ich - auch ohne Vorbehandlung weg, müsste man auch einmal ausprobieren.

Kochkünstler:
Leichte Korkenschmecker verwende ich in kleinen Mengen zum Ablöschen. Starke finden den Weg in die Kanalisation, seit ein nicht PE behandelte Flasche mir eine Reduktion total versaute. (Wenn man * * * konzentriert, bekommt man konzentrierte * * *.) PE greift das Aromaprofil des Weines nicht ganz so arg an wie die zur Korkeliminierung notwendige Menge Aktivkohle. Zudem sieht der mit PE behandelte Rotwein immer noch wie Rotwein aus, was man mit Aktivkohle nicht unbedingt behaupten kann.

Aber ich gebe recht, dass man fehlerhafte Weine am Besten der Verkaufstelle zurückbringt. Soviel ich weiss existiert eine Vereinbarung zwischen den CH-Weinhändlern, dass fehlerhafte Weine ein Jahr lang zurückgenommen werden müssen, was beim vor Jahren gekauften Superwein mit Korkschmecker jedoch wenig hilft). Wenn ein Händler bei dieser Vereinbarung auscherrt, gibt es nur eines: Den Weinhändler wechseln.

Relativitätstheorie:
Du hast natürlich recht, wenn man (zu) viel Aktivkohle verwendet, dann bekommt man eine farb- und geruchlose, alkoholhaltige Flüssigkeit als Ergebnis ...

Diese PE-Folie dürfte ähnlich wirken wie der in der Analytik für halogenierte Kohlenwasserstoffe verwendete Extraktionsvorgang. Man könnte verschiedene - unbedenkliche - Extraktionsmittel wie z.B. Speiseöl probieren, vielleicht findet man eines, das das TCA relativ gut extrahiert, die anderen Aromen aber vergleichsweise wenig reduziert. Aber wie auch immer: ideal ist eine solche Lösung in keinem Fall.

Die Vorläuferverbindung des TCA (Trichlorphenol) ist übrigens auch Vorstufe für verschiedene sehr ungemütliche Substanzen, darunter das Sevesogift 'Dioxin' (genauer gesagt 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin) oder das von den USA in Vietnam verwendete Entlaubungsmittel 'Agent Orange'. Warum man die Chlorbehandlung der Korken nach wie vor verwendet, ist mir einfach ein Rätsel. Es muss doch auch andere Möglichkeiten zur Sterilisation geben (mir persönlich wäre eine Bestrahlung der Korken noch lieber als das Chlor) ...

Verschwörer:
Tatsächlich existieren mehrere chlorfreie Verfahren zur Korkbehandlung, aber die 'Korkmafia' streubt sich meist mit Händen und Füssen gegen diese Verfahren. (Vermutlich sind sie mittlerweilen Hauptaktionäre der Drehverschluss- und Kunststoffkorkunternehmen).

Als Vorausbemerkung folgendes: Der Chloreintrag in den Korken erfolgt nicht erst bei der Chlorbleichung, sondern bereits mehr oder weniger natürlich beim Wachstum der Korkeiche. Um die frisch von der Eiche geschälten Korkplatten 'zu reifen', lässt man die Platten in der freien Natur verschimmeln. Das in den Platten enthaltene Chlor wird dabei gelegentlich von bestimmten Schimmelpilzen zu TCA verstoffwechselt.

Ergo: Auch ohne Chlorbehandlung ist ein Korkschmecker möglich, die Chlorierung ist nur eine sekundäre Ursache für TCA. Hier aber mögliche Verfahren die Chlorbehandlung unnötig zu machen, das Korkrisiko zu verringen: Korkplatten zur Reifung mit einem selektionierten, nicht TCA produzierenden Schimmelpilzstamm beimpfen. Die TCA-Primärquelle würde wegfallen.

Gegen Sekundärquellen die Platten nicht mehr im Chlor-Heisswasserbad sterilisieren, sondern
entweder Bestrahlen (Ich sehe aber bereits die Zeitungsschlagzeilen!),
Autklavieren oder in einer Art Mikrowellenofen stecken (Das sogenannte Delfinverfahren wird von einem Korkproduzenten angewendet) Die dritte Quelle TCA produzierender Mikroorganismen hat man damit aber immer noch eliminiert:
Ungenügende Abfüllhygiene beim Weinproduzenten kann auch den allerbesten Korken zu einem mit Korkschmecker werden lassen.

Altchemiker:
Mein Chemiestudium ist zwar schon einige Jahre her, aber soweit ich mich erinnere, gibt es nur sehr, sehr wenige natürliche (durch Mikroorganismen, Pflanzen oder Tiere gebildete) Verbindungen mit organisch gebundenem Chlor. Aus diesem Grund sind chlorierte Verbindungen (z.B. DDT, Lindan, Perchlorethylen etc.) ja auch so ein enormes Umweltproblem, da die meisten Mikroorganismen sie nicht abbauen können, da das einfach nie notwendig war.

In der Pflanze selbst kommt Chlor nur als Chlorid-Anion (Cl-) vor, um aber Chlorphenol (Vorstufe für TCA) zu bilden, müsste es zuerst zu Cl+ oxidiert werden, was in einer pflanzlichen Zelle kaum möglich sein dürfte, da das Cl+ als sehr reaktives Ion so ziemlich alles angreifen würde, was ihm in den Weg kommt. Also kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das TCA 'natürlichen' Ursprunges ist. Möglicherweise aber gibt es einen Zusammenhang mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln, so dass auch ohne explizite Chlorbehandlung das TCA auftreten kann.

TCA kenne ich ansonsten nur in der Leder- sowie Papierindustrie, wo ebenfalls mit elementarem Chlor gearbeitet wird ...

Total verkorkst:
Wie Du richtig bemerkst, sind leider mittlerweilen viele organische Chlorverbindungen industrieller Herkunft ubiquitär vertreten, und lassen sich kaum abbauen. Wenn ich von organischen Chlorverbindungen 'natürlichen Ursprungs' spreche, so meinte ich zwar unnatürlichen Verschmutzungen, aber solche welche nicht vom Korkherstellungsprozess im engeren Sinne herrühren.

Hier noch frei nach Prof.Hühn, Fachhochschule Zürich (unveröffentlicht, undatiert):
'Das bei der Korkbleichung entstehende Trichlorphenol (TCP) kann durch MO zu TCA methyliert werden. Auch die Methylierung höher chlorierter Phenole (z.B. Pentachlorphenol(PCP)oder Tetrachlorphenol) führt zu korktontypischen Fehltönen. Sind Phenole die Ausgangssubstanz (z.B. bei einer Chlorbehandlung) so erfolgt eine Chlorierung durch freies Chlor und ergibt TCP. Sind Anisole Ausgangssubstanz oder erfolgt die Biomethylierungvor der Chlorierung, so entsteht TCA direkt.
Auch Trichlorphenoxyessigsäure kann durch Entesterung und nachfolgender Chlorierung Ausgangsprodukt für TCP sein.
Perchloroxydasen die in vielen Mikroorganismen nachgewiesen wurden, scheinen für die Bildung von TCP ebenfalls in Frage zu kommen. Pflanzenschutzmittel (in Verbindung mit methylierenden Mikroorganismen), wie auch Phenole und Anisole des Korkholzes (in Verbindung mit chemischer oder biologischer Chlorierung), können zum geruchsaktiven TCP führen.'


Mitleidiger:
Ich hoffe die anderen Forumsteilnehmer werden verzeihen, wenn die Diskussion schon etwas sehr in die organische Chemie hinreicht ...

Organische Chlorverbindungen mikrobiellen oder pflanzlichen Ursprungs sind meines Wissens sehr selten (mir fällt ad hoc nur das Antibiotikum Chloramphenicol ein, das die Chloratome aber auf einem aliphatischen C-Atom hat, also kein Cl+ zur Bildung benötigt). Aromatische Verbindungen mit Cl direkt am Ring kenne ich keine. Wenn es solche geben sollte, dann wahrscheinlich zunächst durch Chlorierung eines aliphatischen Rings (z.B. Cyclohexanderivate), der dann erst später enzymatisch zum Aromaten oxidiert wird. Das Phenol für das TCA im Kork dürfte aber aus den diversen Polyphenolen (Gerbstoffe, evtl. Lignine) stammen, die bereits einen aromatischen Ring besitzen. Also: dass TCA rein natürlichen Ursprungs ist, kann ich mir daher nicht vorstellen, lasse mich aber gerne eines besseren belehren ...

Das mit der Trichlorphenoxyessigsäure klingt da für mich schon viel plausibler. Derivate davon wurden (und werden) ja nach wie vor als Herbizide verwendet und können sehr leicht zu Trichlorphenol abgebaut werden, dass dann wiederum die Vorstufe für das TCA bildet. Wenn also in der Nähe der Korkeichen jemand den Straßenrand mit Herbiziden unkrautfrei gehalten hat, dann hätten wir schon den Bösewicht entlarvt, besonders wenn man bedenkt, dass das TCA schon in winzigsten Mengen (da geht es um Nano- bis Mikrogramm) sehr intensiv riecht!

Und noch schließlich zur Strahlenbehandlung: Bei Gewürzen ist es ja auch seit langem gang und gäbe und niemand beschwert sich. Strahlenbehandlung heißt ja nicht, dass der Korken dann selbst radioaktiv wird ...

Zurück zum Thema:
Von einer simplen Aussage eines Händlers in die Chemiestunde innerhalb einiger Mails. Wow, ich gebe zu, die letzten Schreiben nur überflogen zu haben, ich verstehe es nicht wirklich. Aber ich nehme mir mal vor für Weine, die ich aus welchen Gründen auch immer, nicht an den Händler/Winzer zurück gebe, mal den Folientest mit PE und Alu zu machen.

Letztlich halte ich es aber für ein sehr merkwürdiges Argument, das da vorgebracht wird. Vereinfacht bis überzogen: Wir haben nur gehobene Weine, bei denen praktisch keine Korkprobleme auftreten. Wenn aber doch mal, dann ist es Sache des Käufers, uns ists egal. Aber natürlich nur im Sinne des Käufers, da wir ja sonst einen Zuschlag kalkulieren müssten.

Da wäre es doch mal interessant, wie hoch den die Korkquote beim Händler ist: 1 %, dann dürfte der Preiszuschlag auch vernachlässigbar sein, es wird halt mal eine Flasche weniger ausgeschenkt, bei 3 - 5 % kratzt es doch schon sehr am Gewinn und bei 10 und mehr Prozent wird es wohl ein Verlustgeschäft. Es sei denn, man nimmt den Winzer oder Großhändler ebenfalls in Regress. Aber solche Größen treten ja gar nicht auf, wenn ich dem Händler glauben darf. Irgendwie komme ich als Wirtschaftler mit so einer Argumentationskette nicht logisch hin.

Der Staatsanwalt:
Wenn wir den wirtschaftlich-rechtlichen Aspekte vertiefen wollen: In Österreich (D ist glaube ich ähnlich, oder?) gibt es ja ein Konsumentenschutzgesetz, das die Einschränkung der gesetzlichen Gewährleistung durch Vertragsbedingungen für unzulässig erklärt. Und ein Korkgeschmack ist mA nach sicher keine normale Schwankung eines Naturproduktes, sondern bestimmt ein Mangel, daher müsste die Gewährleistung anwendbar sein.

Diese Erklärung der Fa. Gerstl halte ich daher einfach gesagt für eine Zumutung. Man stelle sich vor, ich kaufe mir ein neues Auto, bei dem nach 10 Kilometern ein irreparabler Motorschaden auftritt. Was wäre, wenn der Autohändler einfach in seinen Vertragsbedingungen stehen hätte 'müssten wir das Risiko in unseren Margen einkalkulieren. Wir bitten daher um Verständnis, dass jeder Defekt ab Übergabe des Autos ausschließlich Ihr Pech ist ...'.

Bis jetzt haben mir in den wenigen Fällen, in denen ich ein Korkproblem mit Weinen hatte, die Händler (Wien) diese anstandslos umgetauscht.

Aus mathematischer Sicht:
Grundsätzlich sind die Regelungen wohl gleich. Ich find's halt nur sehr befremdlich mit welchen Argumenten die Leute so arbeiten. Unlogische Zusammenhänge und bloße Behauptungen, nur damit der Kunde seine Rechte gar nicht erst einfordert. Bei mir haben solche Händler schon gewonnen. Ich fordere nicht einmal eine Lieferung von denen. Wenn das alle Kunden machen und die keinen Wein (oder auch anderen Waren) verkaufen, liegt die Fehlerquote bei null (oder unendlich weil man 0/0 ja nicht wirklich rechnen kann oder ist es doch 100 %).


Fast schon langweilig, weil themenbezogen:
Die Behauptung, dass bei Spitzenweinen Korkton sowieso praktisch nicht vorkommt, ist gelinde gesagt vollkommener Blödsinn. Zwar sollte bei einem höheren Weinpreis ein hochwertiger und somit teurer Korken für den Winzer bezahlbar sein, womit sich das Korktonrisiko bestimmt etwas reduziern lässt. Trotzdem gibt es auch für den teuersten Korken keine Garantie, dass er fehlerfrei ist. Das zeigte der Totalschaden von Altare? oder Grasso? oder? vor drei/vier Jahren im Piemont ja überdeutlich!

Wenn ein Händler bei Korkbeanstandungen Umstände macht, so gibt es eigentlich auch für mich nur eine Möglichkeit: Mir einen neuen Händler suchen (Nur kenn ich in der Schweiz leider keinen Händler mit einem besseren Rieslingangebot als Gertl!).

Globale Sichtweise:
In Österreich gibt es auch die Möglichkeit, dass diverse Verbraucherschutzverbände (ohne selbst Kunde zu sein), gegen unzulässige Vertragsbedingungen von Firmen Klage einlegen können. Das wäre in diesem Fall - zumindest nach österr. Konsumentenschutzgesetz - sicher möglich.

Vielleicht gibt es in der Schweiz auch eine ähnliche Rechtssituation, denn die Alternative, beim einzigen Lieferanten für bestimmte Weine nicht mehr einzukaufen oder aber zähneknirschend dessen illegale Vertragsbedingungen zu akzeptieren, ist auch nicht sehr erfreulich, oder?

Captain Kork:
Deinen Ausführungen in den OC-Bereich kann ich nur zustimmen. Diese Gerstl-Foliengeschichte halte ich auch für eine Unverschämtheit. Ein seriöser Weinhändler müßte m.E. großes Interesse dran haben, über korkige Flaschen in Kenntnis gesetzt zu werden, um dies wiederum dem Weingut/Großhändler mitteilen zu können. Häufen sich bei einem Winzer die Korkfälle massiv , so hat er Anspruch auf Schadensersatz seitens des Korklieferanten.
Außerdem ist das schon eine merkwürdige Situation: Der Händler weigert sich, den bei ihm gekauften Wein retour zu nehmen. Würde der gleiche Wein im Restaurant bestellt und wäre korkig, so würde sich jeder korrekte Sommelier um raschen Ersatz bemühen und die Korkflasche fände sich mit Sicherheit nicht auf der Rechnung.

Grüße aus der Schweiz:
Bei einer stark überdurchschnittlichen Korktonquote hat auch ein Schweizer Winzer anrecht auf Entschädigung vom Korklieferanten. Aber: Der Korklieferant wird behaupten, dass der Korkton nicht durch sein Verschulden in den Wein kam. Füllte man nicht mit Korken von zwei verschiedenen Produzenten, sitzt man ohne Anwälte und zahlreichen Expertisen meist bereits am kürzeren Hebel (Rekontamination der Korken im Keller, kein Korken sondern muffiges Fass, etc., etc....)
Falls der Korkproduzent seine Schuld zugibt oder sie ihm nachgewiesen werden kann, so haftet er in der CH nur für den Kork. Das Einzige was er rechtlich bezahlen muss, sind die 20 bis 80 Cents für den Kork, denn verdorbenen Flascheninhalt muss der Winzer immer noch selbst berappen. (Wofür sich ein teurer Rechtsstreit zumeist auch nicht lohnt.)

Was den Konsumenten angeht:
Die Rücknahmevereinbarung der Weinhändler ist eine freiwillige Übereinkunft. Sie ist nicht vom Gesetz vorgeschrieben. Die Vereinbarung dieses Händlers ist somit m.E. in der CH zwar stössig, aber nicht illegal. Rechtlich Erfolg könnte man einzig mit folgender Argumentation haben. Der Weinhandel ist eine Branche. Die Branche kann unter sich Vereinbarungen treffen. ('Wir ersetzen Korkschmecker'). Diese Vereinbarung ist für alle Branchenmitglieder bindend. Weinhändler G ist als Branchenmitglied. Er ist somit ebenfalls verpflichtet diese Vereinbarung einzuhalten.

Es sind mir in der CH auch mehrer renommierte Restaurants bekannt, wo auf der Weinkarte (oder zum Teil auch nur bei ein einzelnen Weinen wie z.B. gewissen Mouton's) den Vermerk steht, dass das Korkrisiko vom Gast übernommen werden muss.

Wie auch immer: Der Korkton wird immer vom Konsumenten bezahlt. Sei es, indem jeder Korkschmecker zurückgenommen wird, jede einzelne Flasche dafür aber ein wenig teuer ist (sozialisiertes Risiko), sei es indem jeder Konsument die Flasche auf sein eigenes Risiko kauft, ein Korkton aus dem eigenen Sack berappen muss. Als Weingeniesser welcher (hoffentlich) die meisten fehlerhaften Flaschen herausschmeckt, fahre ich aber mit der ersten Variante bestimmt günstiger.

Grüsse aus der nicht ganz so konsumentenfreundlichen Schweiz

Von Schnecken, Steaks und Leitungswasser:
Das klingt in der Tat nicht sehr konsumentenfreundlich. Was gibt es da noch ? Dass der Gast auch das Essen bezahlen muss, wenn dem Koch das Steak angebrannt ist, der Salat teilweise aus verfaulten Blättern besteht, Schnecken darin noch herumkriechen etc.?

Und da habe ich gedacht, wir in Ö haben Probleme, weil in der Gastronomie derzeit heiß diskutiert wird, ob ein Glas Leitungswasser etwas kosten darf oder nicht ...

Also - der Leitungswasserkomplott:
Die Leitungswasserdiskussion wird auch bei uns in der Schweiz geführt. (Der Wein ist im Restaurant eh schon teuer, da darf man ruhig auch noch das Leitungswasser auf den Tisch verrechenen.) Wenigstens muss man bis jetzt das verbrannte Steak und die Schnecken im vergammelten Salat noch nicht bezahlen!!!


Sozialkritik:
Ohne den treat von Kork hin zu Gastronomie wechseln zu wollen, bin ich eigentlich in Lokalen bisher ganz gut mit dem Reklamieren korkiger Flaschen gefahren. Ob das daran liegt, dass ich nicht viel auswärts essen gehe, dann aber am liebsten in Lokale mit fanatischen Sommelieres oder weinverrückten Patrons und auch gegen ein Bier oder eine Apfelschorle zum Essen nichts einzuwenden habe, falls es mit dem Wein gar nicht klappt, weiß ich nicht...
Nicht unüblich scheint es dagegen zu sein, dass manche Wirte ab einem bestimmten Flaschenalter kein Risiko eingehen wollen, und auf stur schalten, wenn der Gast den 45 Mouton reklamiert. Dieser Spezialfall betrifft mich allerdings nicht, weil ich mir solche Flaschen eh nicht leisten kann.

Diskussionsidealist:
Nur der guten Ordnung halber (und auch reichlich spät): Die transparente Lebensmittelfolie ist kein PE (Polyethylen), sondern PVDC (Polyvinylidenchlorid). Das ist übrigens genau dasselbe Material, das als Dichtungsfolie beim Schraubverschluss und beim Glasstöpsel (Vino-Lok) dient. Lösbare Weeichmacher sind da übrigens nicht drin, das Zeugs ist ja lebensmittelecht.

PVDC-Folie bei Korkwein hilft tatsächlich, allerdings geht der Geschmack weitgehend flöten. Das aber muss mit den TCA-Reaktionen zusammenhängen (wahrscheinlich hat das TCA vorher schon genügend Aromen umgebracht), denn PVDC-Folie und gesunder Wein in der schraubverschlossenen Flasche harmonieren prachtvoll, ohne dass irgendwelche Aromen verlorengehen.

Pedant:
Wenn wir schon bei der guten Ordnung sind: Frischhaltefolien werden aus den verschiedensten Materialien hergestellt, unter anderen Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyvinylchlorid (PVC) sowie Polyvinylidenchlorid (PVDC). Eine Packung Melitta-Folie (gerade in der Küche nachgesehen) besteht laut Packungsangaben aus Polypropylen.

Das macht für diese Frage aber gar nicht so viel Unterschied. Es handelt sich bei allen Materialien um ziemlich apolare Polymere, die sich beim Kontakt mit Flüssigkeiten wie ein flüssiges Extraktionsmittel verhalten, wenn auch weniger effizient. Neben dem - relativ apolaren - Trichloranisol gehen damit aber auch viele erwünschte apolare Aromen im Wein verloren, ganz besonders aus der Klasse der Terpene. TCA selbst kann übrigens keine Aromen 'umbringen', da es bei Raumtemperatur nicht gerade besonders reaktiv ist.

Der Unterschied zur Dichtung ist wohl, dass in letzterer nur eine minimale Kontaktfläche des Polymers zum Wein vorliegt, so dass sich die Möglichkeit zur Extraktion von Aromen in minimalen Grenzen halten dürfte.

Beleidigter:
Danke für die Präzisierung!

Schlussredner (vorerst):
Aaalsooo, eigentlich sind wir Weintrinker selbst schuld an der Misere, denn wir haben Jahrzehnte lang nur im Untergrund gegrummelt, anstatt auf klare Konventionen bei Handel und Gastronomie bezüglich des Ersatzes unsauberer Flaschen zu dringen.

Hätten wir längst unsere Konsumenten-Macht eingesetzt, so wäre von Seiten der Produzenten mit Gewissheit ein ganz anderer Druck auf Entwicklung praktikabeler Anwendungsverfahren ausgeübt worden und das Korkproblem wäre m.M. schon lange keins mehr.

Im übrigen denke ich, dass Weine des unteren Segmentes (

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