Der Löwe ist da. Ein erster Eindruck über OSX Lion von Apple

Veröffentlicht am 22. Juli 2011 von Roman
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Keine Ahnung, ob bei Apple alles geplant ist oder vieles einfach nur passiert. Fakt ist, dass sich die Entwickler und Visionäre bei Apple jedenfalls eine Menge dazu überlegen, wie man bestehende Strukturen (in diesem Fall hauptsächlich die gelernte Vertriebsstruktur) immer neu angehen und 'verbessern' kann. Nicht alles ist dann immer auch eine solche Verbesserung, aber vieles schon. Vor allem, wenn man sich einmal daran gewohnt hat.

Das neue Betriebssystemupdate kommt diesmal in rein digitaler Form via Download im hauseigenen App-Store daher - und dies ist in jedem Fall eine kleine (wenn nicht sogar große) Revolution. Noch dazu, weil alles perfekt funktioniert hat und man mit einem Kauf (einem Klick) um 29 Euro ein Betriebssystem-Update bekommt. Ohne Installations-DVD, ohne Verpackung, zu jeder Zeit und für alle Computer, die man sein eigen nennt. Ähnliches sucht man bei Microsofts Windows vergeblich. Im Gegenteil. Aktivierungssysteme, Versionsverwirrung, unglaubliche Preise (für ein Betriebssystem) sind dort der Standard, woran sich die ganze Welt gewöhnt hat und versucht sie hier und dort via Raubkopien zu umgehen. Also noch mehr Aktivierungswahnsinn, nicht gemachte Updates - und damit Sicherheitslücken (weil man seine illegale Softwareversion ja nicht zerstören will) - und und und ...

Aber kommen wir zurück zum Lion. Nach der reibungslosen Installation (der Download war durch die 1 Million Installationen in nur 24 Stunden eines 3,5 GB großen Installationspaketes von den Apple-Servern naturgemäß etwas träge) in nur 30 Minuten erscheint der neue Desktop anstandslos und man kann sofort loslegen. Hier gibt es eine grundlegende Änderung, über die schon vielfach geschrieben wurde: die Änderung der Scrollrichtung. Eine computertechnische Kulturrevolution? Oder ein Faux-Pax? Freilich lässt sich das neue Verhalten in den Systemeinstellungen wieder rückgängig machen. Angelehnt ist die Neuerung an eine sich ändernde Benutzung - bei iPhone, Smartphone, Tablet-PC und Co, die in der Regel mit Touchscreens ausgestattet sind, hat man sich ganz natürlich daran gewöhnt, längere Seiten einfach mit den Fingern in die gewünschte Richtung zu verschieben, um den Rest lesen zu können. Und weil Apple bei den Computern überwiegend auch Laptops mit großen Touchpads verkauft (und es selbiges in Mausform und Pad auch für die Stand-PCs gibt) - hat man sich dort entschlossen auch hier den mutigen Schritt zu wagen.

Es ist mitunter eine der größten Neuerungen, die einen herausfordert - geichzeitig aber auch das Gefühl vermittelt, dass dies die Zukunft sein könnte. Denn spätestens (und darüber wird ja schon länger spekuliert) wenn es auch Monitore mit Touch-Funktionalität gibt, ist das das Logischste überhaupt. Was sich aber am Laptop ziemlich schnell erlernt braucht auf einem Stand-Mac (wie dem iMac) aber schon etwas länger. Denn nicht nur oben und unten ist dadurch betroffen, sondern auch links und rechts. Im Webbrowser (der ja hauptsächlich nach oben/unten verlangt) hat man sich relativ rasch daran gewöhnt - in Videoschnittprogrammen oder Bildverarbeitungsprogrammen ist die Lernkurve aber um einiges länger. Ich persönlich fand das Feature zuerst spannend und gut - habe es im Office dann aber doch wieder zurückgestellt (es hat mich einfach genervt und ich musste mich mehr auf meine Arbeit konzentrieren als auf die Neuerungen eines Betriebsystems) und mich am Abend wieder dazu entschlossen, mir das Umlernen doch anzutun - weil ich persönlich schon daran glaube, dass es die Zukunft ist. Jedenfalls wird uns diese 'kleine' Änderung noch länger begleiten. Es ist kaum anzunehmen, dass Microsoft es Apple sofort nachmachen wird (schon der Eitelkeit wegen) und wir hier einer große Spaltung im Benutzerverhalten begegnen werden (noch mehr Glaubenskrieg als bisher).

Weitere Neuerungen sind der Vollbild-Modus und Mission Control. Letzteres ist (wenn man ohnehin schon bei Apple an Exposé gewöhnt war) eine absolute Verbesserung. Alle offenen Fenster auf dem Desktop werden schön nach Programmen in Gruppen sortiert und ergeben einen rascheren Überblick. Ein tolles Feature - obgleich die vielen Fenster (wenn es nach Apple geht) ja auch eher eine aussterbende Darstellungsform sein soll - denn Apple setzt künftig auf den Vollbildmodus - also ähnlich wie im iPad oder iPhone hat dann beim Öffnen eines Programms dieses den gesamten Bildschirm für sich - ohne störende Hintergründe oder Überlappungen. Zwischen den Programmen wird nun mit einer Wischgeste über Maus oder Touch-Pad gewechselt - und das funktioniert ganz gut. Aber auch hier muss man sich umgewöhnen. Fenster haben auch ihre Vorteile: In Mail zum Beispiel, wenn man zwischen mehreren offenen E-Mails vergleichen oder Dinge kopieren möchte. Dies ist im Vollbildmodus noch nicht sehr gut und intuitiv umgesetzt. Auch wirken viele Programme auf einem 27-Zoll Bildschirm ein wenig überfordert mit dem ganzen Platz.

Wie beispielsweise auch Safari. Viele (vor allem Newsseiten) sind linksbündig aufgebaut und haben rechts den Raum für Werbung reserviert. Im Vollbild-Modus bekommt vor allem letzteres eine ganz große Bedeutung und die Werbung wird oft größer als der ganze Rest. Das sieht einfach nicht gut aus und ist weder für die Anbieter als auch die Werbeindustrie gut.

In Apple-Mail hat man nun keine einfache Listenübersicht mit einfacher Sortierfunktion mehr. Das Programm wurde bereits für größere Bildschirme 'optimiert' und zeigt die Postfächer, die Nachrichten UND das jeweilige Mail gleichzeitig an. Für den Privatanwender ist das sicher ganz nett - wer aber im Business-Alltag sehr viele Mails hat, wird hier wohl nicht glücklich werden und auf Alternativen wie Outlook zurückgreifen. Nicht alles ist in OSX Lion also auch eine Verbesserung. Vorausgesetzt man möchte - so wie ich - gerne mit den eingebauten Tools arbeiten und auf dessen gute Funktionalität wie Spotlight und Co zurückgreifen.

Oder seine Termine mit iCal verwalten. Dieses Programm ist jetzt (wie auch am iPad) ein verspielter Kalender in Vintage-Optik geworden. Diesen Real-Retro Look brauche ich persönlich überhaupt nicht. Ich will ja auch nicht im Textverarbeitungsprogramm das Gefühl haben mit einer alten Schreibmaschine zu arbeiten und auf Büttenpapier zu schreiben. Warum kann eine moderne Anwendung nicht modern und digital sein und wirken?

Weitere Neuerungen wie Versions und Auto-Safe konnte ich noch nicht so richtig erfahren und einschätzen. Glaube aber, dass hier ebenso die Zukunft liegt. Es nutzt aber leider nichts, dass im Moment nur die Apple-eigenen Programme das unterstützen. Und es wird sich erst zeigen, wie beispielsweise Photoshop mit so etwas umgehen wird können ohne in Nu die ganze Festplatte zuzuschaufeln. Wir werden ja sehen.

Mein persönliches Fazit: ich finde es einen guten Schritt und die Geschwindigkeit (Installation als auch gefühlt in der Anwendung) ist sehr gut. Vollbild-Programme (wenn die unterschiedlich großen Screens gut und intelligent genutzt werden) auch sehr fein. Das Feeling im Grunde ein erster Schritt in eine richtige Richtung. Designtechnisch nicht immer ganz gut gelungen (das Lauchpad zum Beispiel ist mit den riesigen Ions im Moment noch komplett unnötig), die Seitenleiste in den Finder-Fenstern irgendwie neu – aber nicht wirklich verbessert (die Listendarstellung der unterschiedlichen Dateien in einem Ordner dafür aber schon). Die Installation absolut die Zukunft und der Online-Vertrieb fast schon das Highlight. Um fast kein Geld kann man sich so all seine Geräte auf den neuesten Stand bringen. Das finde ich absolut TOP. Vorausgesetzt man hat eine flotte Internetverbindung mit Flat-Gebühr und das aktuellste Betriebssystem bereits im Einsatz.

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5 Kommentare
  • Holger
    22.07.2011

    Ich stimm' dir da in fast allen Punkten zu. Nur beim Kalender nicht. Ich finde sowohl iCal als auch das Adressbuch schön und gut umgesetzt 😊 Und ich finde es ist ein schöner Kontrast zum schön nüchtern gewordenen OSX.

    Allerdings hätte ein Hakerl in den Einstellungen nicht geschadet um auf eine "graue" Version umzuschalten.

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    Roman
    23.07.2011

    Danke, Holger, für deine Antwort. Das iCal und Kalender-Design finde ich süß. Aber eben nicht sehr professionell. Ich mag es, wenn ich mir das bei einer App aussuchen kann (oder mir eine entsprechende kaufe - wie Delicious Library damals zum Beispiel) - aber meine Arbeitsapp wäre mir nüchtern einfach lieber.

    An noch etwas muss ich mich erst gewöhnen: die automatische Rechtschreibkorrektur. Habe gerade meinen Artikel nochmals gelesen und einige Wörter korrigiert, die durch die automatische Korrektur komplett sinnlos verdreht wurden - und das fällt einem beim Tippen gar nicht wirklich auf: zum Beispiel wurde auch Pad (von Touch-Pad) einfach das Bad.

    Außerdem wünsche ich mir schon lange die Option, Korrekturen zwar vornehmen lassen zu können, diese aber nur in Kleinschreibung anzuwenden, da ich bei E-Mails diese bevorzuge. Vielleicht muss ich mich hier aber der Entwicklung beugen und wieder zur normalen (korrekten) Schreibweise zurückkehren.

  • mcf
    23.07.2011

    Ich hasse Autokorrektur. Z.B. macht Outlook aus DNA (das ist das Akronym for DMS NA, und das ist das Akronym für Distribution System Management Network Analysis) immer DANN. Zum wahnsinnig werden, wenn man oft über DNA e-mails schreiben muss...

  • Holger
    24.07.2011

    Also puncto Autokorrektur sehe ich es so, daß man halt am Anfang leider sehr viele Wörter dem Mac beibringen werden muß. Aber danach leistet die Autokorrektur gute Dienste. Ich merk's ja selbst oft wenn einfache Tippfehler schnell ausgebessert werden; gerade beim Schreiben meiner Artikel auf MacManiacs leistet mir das schon gute Dienste. Wie gesagt, nur die Lernphase ist halt jetzt Anfangs noch ein wenig mühsam.

  • R.
    24.07.2011

    Ich fänd' eine klare Hervorhebung besser (deutlicher, als die gepunktete rote Linie) und man entscheidet sich dann im Nachhinein beim Durchlesen. Auch bin ich noch nicht drauf gekommen, wie man einen automatischen Vorschlag überspringt und nicht annimmt? Any hints?